Künstlergespräch zur Ausstellung Walk ‘n’ Paint am 27.12.2023 –
Frank Weinhold befragt Michael Goller, Johannes Myller und Peter Piek
Peter, ich habe von dir schon Interventionen im öffentlichen Raum
gesehen: Was hat es mit One World One Painting auf sich?
Peter:
Ich war 2016 auf einer Konzertreise in Spanien. Da habe ich eine
Installation gemacht, in den Bergen. Und die bestand aus einzelnen,
schwebenden Stöcken, die ich mit Nylonfäden aufgehangen und vorher
angemalt habe. Und das startete bei einer Quelle. Und da hat man immer
einen gesehen. Und man musste nämlich auch laufen von dem einen Element
zum nächsten. Und dann ging es immer berghoch, berghoch. Und dann kam man
dann zum Fluss. Und den hat man dann gehört. Und dieses Geräusch hat dann
von der Quelle sozusagen zu einer Ansammlung von so ein paar Stöcken
geführt, wie sie dort da oben auch sind. Und in der Installation, habe ich
gedacht, steckt ja eigentlich schon viel drin. Man musste quasi 20 Minuten
laufen, um sie als Ganzes zu sehen. Und da habe ich gedacht, vielleicht
kann man das noch ein bisschen weiter ausdehnen. Und das ist quasi die
Idee von One World One Painting.
Das kann mal mit Farbe sein, eine Intervention im öffentlichen Raum und
dann kann man das Foto hochladen. Man kann dann immer die Geokoordinaten
mit angeben. Und dann sieht man auch, wo sich das Werk befindet. Einige
werden noch da sein. Manche erkennt man schon, dass sie wahrscheinlich
vergänglich sind.
Neben One World One Painting besteht ja eine weitere Zutat auch aus
deinen Wanderungen – der Fluss von der Quelle zur Mündung?
Michael:
Ja, die Praxis des Flussgehens, bei der man über einen langen Zeitraum
ankommt … also den kompletten Fluss abgelaufen, von der Quelle zur
Mündung. Und dieser Fluss hier ist der soziale Fluss geworden, an dem
während des Laufens diese Objekte entstanden. Immer im Dialog. Beim Gehen
ist es so, dass manche Gedanken erst gedacht werden können, wenn man
vorher 30, 40 Kilometer gelaufen ist. Und dann entsteht vielleicht etwas
Bestimmtes. Und das haben wir eigentlich den ganzen Sommer über in
Abständen praktiziert. Und da ist dann eine Art Dialog entstanden, also wo
Dinge aufgetaucht sind, wo Dinge platziert wurden auf eine gewisse Weise.
Das möchte diese Ausstellung unter dem Namen Walk ‘n’ Paint zeigen und
eine Brücke bauen, von der Wanderung zum sozialen Geflecht.
Wir haben gerade die Zutaten für die Ausstellung besprochen. Das eine
war Peters Projekt One World One Painting und das andere Michaels
Fluss-Meditationswanderungen. Und zusammen führen sie dann zu der
gemeinschaftlichen Wanderung von euch dreien, wo ihr dann während der
Wanderung Gespräche geführt habt und dann auch einzelne Kunstwerke
erschaffen habt. Johannes, du warst ja auch Teil dieser Gruppe. Wie
entstand denn so ein Element?
Johannes:
Es gibt keine besondere oder bestimmte Herangehensweise, die mir bewusst
wäre, außer dass wir es auch immer offen gelassen haben, ob wir überhaupt
was machen und wie letztendlich. Es sind Fundstücke mitverarbeitet worden,
die dann einfach mit Farbe bestückt worden sind und Michael hat das dann
oft in einen philosophischen Kontext gesetzt. Ich war eher mit dem Finden
der Dinge beschäftigt. Du hattest gefragt, wie sowas entsteht. Ja, man
läuft zu dritt los, man redet viel und Michael hat gesagt, nach 30
Kilometern kommt man in den Fluss hinein, dass so die Wahrnehmung sich
verändert.
Hat das bei euch schon eher angefangen oder seid ihr immer auf 30
Kilometer gelaufen?
Michael:
Das kann schon passieren, ja. Also das mit dem Finden, das ist so eine
Sache, das ist natürlich auch im Leben so. Wenn du etwas suchst, findest
du es eben nicht und du kannst es offenbar nicht finden. Das heißt, du
hast ein Konzept im Kopf. Und dieses Sehen ohne dieses Konzept und ohne
etwas finden zu wollen, das entsteht dann beim Gehen, wenn du in dir das
Laufen und Loslassen über die Kilometer und Atemzüge kultivierst (oder was
auch immer deine Praxis ist), eine gute Methode, um dann das zu sehen, was
sichtbar ist, ohne dass du es suchst.
Hättest du da ein Beispiel?
„Platform“ wäre
ein hervorragendes Beispiel, also wir waren da schon den Tag unterwegs,
sind schon 30 Kilometer gelaufen und hatten auf dem Weg zwei, drei Objekte
gestaltet, dabei auch Dinge hin und her transportiert – hier in der
Ausstellung sind „Match“,
„Flower“ und „Gate“
– und es gab dann irgendwie nach ein paar Kilometern eine Idee, es war das
Wort Makro, also da war dieses Mikro und wir haben über alles mögliche
nachgedacht, wie man was gestalten könnte, finden, arrangieren in der
Landschaft und so weiter und plötzlich tauchte diese Situation auf, diese
alte Brücke von unten und ja, dann war das plötzlich da und die
Spielregeln haben sich völlig verändert, es ging dann nicht mehr darum,
etwas zu gestalten, es war dann mehr so sportlich, da überhaupt
hochzukommen und überhaupt was zu hinterlassen, es ging plötzlich um etwas
ganz anderes. Und das ist eigentlich das Spannende, wenn man plötzlich
völlig neue Spielregeln findet, auch in sich selbst. Da ist es
fantastisch, wenn man sich verläuft, das ist ja auch im Leben so, es ist
toll, sich zu verlaufen, Fehler zu machen gewissermaßen, weil man dann
total offen und ist und das auch praktiziert und dieses dann in sich zu
finden, also ohne es zu suchen natürlich.
Und nun hat es ja einige Werke von denen zum Beispiel, das ist
relativ sicher, Manche Sachen sind auch sehr vergänglich, das ist aber
wahrscheinlich auch Teil des Konzeptes und ihr nutzt dann vielleicht
Fotografie, um in diesem Moment festzuhalten, für die Menschen, die so
Sachen nicht sehen können,macht das Unterschied, dieses Werk zu
vielleicht den Leinwänden, auf denen ihr sonst arbeitet?
Peter:
Interventionen, Johannes und Michael sind ja auch viel auf der Leinwand
präsent. Das Zeitding, das ist schon was, was mich sehr beschäftigt, weil
ich ja auch Musiker bin und Zeit in der Musik und Malerei ist das Einzige,
was wirklich so vielleicht verschieden sein könnte und deswegen habe ich
mich schon da viel damit beschäftigt und Zeit ist eben schon relativ. Ich
weiß, dass einige Elemente wirklich nur einen Tag überlebt haben und am
Anfang hat mich das irgendwie ein bisschen traurig gemacht, aber auf der
anderen Seite hat mich das eigentlich auch gefreut, weil das natürlich den
Moment dann noch wertvoller macht, mit dem Zeitpunkt, kurz den Zeitpunkt,
den es existiert hat und natürlich ist es auch total spannend, zu
überlegen, was dann passiert wird, wenn wir jetzt wandern und da ist ein
Objekt von euch einfach weg gewesen, aber es ist ja wahrscheinlich nicht
weg, es ist ja wahrscheinlich noch irgendwo existent, vielleicht hat es
jemand mitgenommen oder so und von mir weiß ich,ich habe einen so einen
Geldenstock in Armenien aufgehangen, über so einen Fluss und da waren
viele Kinder, die es bewandert haben und am nächsten Tag sind
wir wieder zurück, den selben Weg und da war es schon weg und da habe ich
mir gedacht, vielleicht haben die das abgenommen, vielleicht ist es jetzt
in irgendeinem Zimmer oder so, ich weiß nämlich auch, ich hatte nochmal
eine Installation gehabt in Österreich und da war ich einen Monat später
nochmal dort in einem kleinen Ort und da haben zwei Jungs mit meinen
Stöcken Fechten gespielt auf dem Marktplatz und da dachte ich, was macht
das mit mir, aber ich fand es natürlich toll ... Also besser kann es
eigentlich nicht sein, wenn du so aus der Malerei kommst und versuchst,
eine Bewegung – das ist ja auch dieses Laufen, einfach diese Bewegung – in
diese Malerei reinzubekommen, dann hat es auf jeden Fall funktioniert ...
Noch eine Frage von dir an euch beide sozusagen …
Michael:
Das sind zwei Dinge, die aus der Zeit rausspringen, also einerseits, dass
es ganz kurz ist, wenn es eigentlich passiert, so wie in der Musik – und
ich habe mit Peter seit über 20 Jahren diese Diskussion über Zeit und
Gleichzeitigkeit in der Musik und im Bild –, und das andere Extrem, so
lange an einem Bild in einem Prozess zu arbeiten, über ein Jahr oder
vielleicht sogar noch länger, da verschwindet die Zeit im Ritual und in
einer Art Meditation oder auch in einem langen Gehen über diese erwähnten
40 Kilometer, wo sich die Zeit als Gestaltungsraum und als Thema
verflüchtigt und damit ist dieses Gehen ein Prozess. Oder auch lange zu
arbeiten an Bildern, sich völlig hineinzubegeben mit seinem Atem, mit
seinem Ein- und Ausatem wieder genau dort angekommen, wo dieser eine
Moment stattfindet, diese eine Aktion, dieses eine Hinterlassen von
Farbe oder dieser eine Klang, der dann sofort ins Jenseits-der-Zeit
verhallt – es ist wie die Enden vom Regenbogen, wenn das langwellige
Ende und das kurzwellige zusammengehen, und das finde ich persönlich das
Spannende an den Objekten und dem ganzen hier gezeigten Projekt.
Und Johannes, vielleicht die Frage an dich – ich kenne das ja auch
von Künstlern, die haben ihr Werk gemacht, und manchen fällt es auch
schwer, sich davon zu trennen, und hier lässt man das ja eigentlich dann
draußen in der Natur. Ist das für dich ein normaler Prozess, oder hat
das auch andere Denkgänge bei dir ausgelöst?
Johannes:
Naja, das Zurücklassen ist auf jeden Fall etwas Unklares, was ich nicht so
greifen kann. Wie jetzt vorher ein Bild gemalt, steht im Atelier oder wird
verkauft. Das sind so die gängigen Wege. Bei Walk ‘n’ Paint bleibt es eben
zurück und das fand ich einfach auch spannend. Kommt dann jemand und macht
es kaputt oder nimmt es mit? Die Größe zu haben, das im Prinzip da
freizugeben, das hatte irgendwas was ich reizvoll fand. Im energetischen
Sinne. Ich kann das nicht erklären. Was das genau mit einem macht, ist ja
auch noch offen. Wahrscheinlich steckt aber drin, dass der Erfolg im
Genuss des inneren Frieden liegt.
Sind euch bei euren Aktionen mal Menschen begegnet, die vielleicht
irritiert gewirkt haben?
Peter:
Beides – ich finde es schon schön, wenn Leute dann überrascht werden
und ich finde auch, dass es trotzdem noch da ist selbst wenn es weg ist.
Ich sehe es trotzdem noch genau. Wenn man es einmal gesehen hat und so
verinnerlicht hat, dann ist es einfach so als Bild in meiner Festplatte
gespeichert und dann, selbst wenn es weg ist. Das tolle ist eben, dass man
Leute damit überraschen kann. Das ist, glaube ich, eine wertvolle Sache.
Weil ich finde, dass man heutzutage selten überrascht wird. Oder es geht
alles so seine geordneten Bahnen. Wenn ein Objekt oder Element dann nur
eine halbe Stunde existiert – mein Gott! – dann hat es auf jeden Fall Spaß
gemacht oder?
Eine letzte Frage habe ich mir noch überlegt: Bleibt die Farbe in der
Natur, macht man sich da Gedanken darüber, was ökologisch abbaubar ist?
Michael:
Die meisten Objekte sind ja mit Ölfarbe bemalt, mit reinem Leinöl als
Bindemittel, was problemlos abbaubar ist …
Ja, bei manchen Pigmenten könnte man jetzt sagen, woraus bestehen
die?
Michael:
Also natürlich sind das in der Regel sehr hochwertige Farben, die aus
originalen Pigmenten hergestellt sind, aber vielleicht ist es auch mal
nicht so, das ist uns bewusst und wir haben das Thema diskutiert und
möchten das mit den geschaffenen Objekten als offene Frage in den Raum
stellen …
Damit im Ende der Anfang sichtbar wird, möchte ich euch zum Schluss
noch fragen, wo ihr angefangen habt?
Der Anfang, es gibt ja so eine Art Urobjekt, das haben wir „Spiegel“
genannt, man sieht die bemalte Seite, wir haben uns nämlich mal aus Spaß
gefragt, wo wäre denn der Mittelpunkt zwischen unseren Ateliers, von
Koordinaten her, und dann haben wir das ausgerechnet, da sind das eben
soundsoviel Grad Nord, soundsoviel Grad Ost, und das ist in irgendeinem
Zipfel von Thüringen, also die Mitte zwischen Chemnitz, Leipzig und
Plauen, und genau dort haben wir dieses erste Objekt platziert, was als
eigenständige Identität in diesem Kontext greifbar ist, es vor Ort bemalt,
und von dort ging es dann gewissermaßen weiter.