Pfrn. Dorothee Lücke: ZU DEN BILDERN VON MICHAEL GOLLER
Zu einem Bild
      kann man auf unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über die
      Kunstgeschichte oder die Psychologie –Meine Betrachtung jetzt ist
      ein Versuch, von der Theologie her sich den Arbeiten von Michael
      Goller zu nähern. Ich möchte den religiösen Hintergrund des
      Kunstwerks aufzeigen und Kunst und Glauben miteinander ins Gespräch
      bringen.
      Wir betrachten
      die ersten vier Bilder hier vorne auf dieser Seite.
      Zuerst fällt mir auf jedem dieser
      Bilder das Pferd mit Reiter ins Auge.
      Sie sind mit leuchtenden Farben gemalt
      Das erste Pferd weiß, sein Reiter
      gelblich, er hält eine schwarze Krone in der Hand
      Das zweite Pferd rot mit einem
      schwarzen Reiter, der ein Schwert hält
      Das dritte schwarz mit einem roten
      Reiter und einer Waage
      Das vierte Pferd ist mit heller, etwas
      undefinierbarer Farbe gemalt und trägt einen schwarzen Reiter.
      Der Hintergrund der Bilder ist grau und
      braun, er wirkt bewegt, erinnert mich an Sturm oder an Wolken.
      Auch Pferde und Reiter strahlen für
      mich Bewegung aus, sie haben etwas kraftvolles, sie stürmen voran.
      Wenn ich näher trete, erkenne ich
      Details, die mir aus der Ferne verborgen blieben.
      Beim zweiten Bild entdecke ich links
      unten einen Tier mit Hörnern, vielleicht ein Stier,
      beim dritten der Kopf eines Menschen –
      Fenster, kleine Öffnungen im Bild
      fallen mir auf,
      Schrift erkenne ich, auch in
      Großbuchstaben das Wort KOMM
      Michael Goller hat diese Bilder 2011
      gemalt.
      Mit Ölfarben auf Leinwand.
      Deutlich erkennbar ist es in
      unterschiedlichen Schichten gemalt.
      Manches untere schimmert noch durch
      oder hat durch die Vierecke Fenster
      bekommen,
      durch sie ist zu sehen, was auf den
      tieferen Schichten ist.
      Stücke aus dem Text aus der
      Offenbarung des Johannes bilden die Grundlage der Bilder. Sie tauchen
      immer wieder auf –
      An unterschiedlichen Stellen.
      Das Buch der Offenbarungen ist das
      letzte der Bibel und heißt auf griechisch apokalypsis, wörtl.
      „Enthüllung“
      Es ist ein prophetisches Buch und vor
      allem ist es ein Trostbuch – vielleicht kennen Sie die Sätze aus
      dem 21. Kapitel: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue
      Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und
      das Meer ist nicht mehr.
      3 Und
      ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe
      da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen,
      und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr
      Gott sein;
      4 und
      Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird
      nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;
      denn das Erste ist vergangen.“
      Es sollte
      Menschen trösten, bes. die Christen, die im Römischen Reich
      unterdrückt wurden, Sie litten unter Verfolgung,
      Im Buch der
      Offenbarung wurde ihnen Gottes Heilsplan enthüllt und die Menschen
      so ermutigt, am Glauben an den einen Gott festzuhalten, nicht den
      Kaiser als Gott anzubeten.
      Das Buch der
      Offenbarungen wollte ihnen die Hoffnung zurückgeben, sie sollten
      nicht aufhören, Jesus Christus in dieser Welt zu erwarten.
      In einer Vision
      sah Johannes ein Buch mit sieben Siegeln, das weder ein Mensch noch
      ein Engel, sondern nur ein Lamm öffnen konnte. Und dieses Lamm steht
      für Jesus Christus. Beim Öffnen der ersten vier Siegel ertönt
      jeweils der Ruf „Komm!“ und darauf erscheinen die Pferde mit
      Reiter. Zuerst in weiß –Für viele Ausleger steht das Weiß für
      Sieg, Reinheit und Gerechtigkeit und damit für Jesus Christus. Die
      Generäle jener Zeit ritten häufig weiße Pferde, wenn sie eine
      Schlacht oder einen Krieg gewonnen hatten. Die Krone des Reiters ist
      als Preis zu verstehen für seinen Erfolg. Martin Luther deutet den
      ersten Reiter aber als erste Plage, er versinnbildlicht die
      Verfolgung der Tyrannen“.
      Die rote Farbe
      des zweiten Pferds steht für Blut und den Tod durch den Krieg. Das
      schwarz des dritten steht für Tod und Hunger. Sein Reiter trägt
      eine Waage als Symbol für eine Teuerung. Eine Stimme kündigt
      Inflation und Hunger an.
      Der vierte,
      fahle Reiter bedeutet Furcht, Krankheit, Niedergang und Tod. Die
      Reihenfolge der Reiter wurde so beim Propheten Sacharja angekündigt.
      Sie bringen
      Verwüstung, Hunger, Elend – aber dann wird Gott rettend
      eingreifen.
      Unten links
      findet sich auf jedem Bild das Symbol der Evangelisten, auch davon
      ist im Buch der Offenbarungen die Rede. – beim ersten der Löwe,
      der für Christus steht, beim zweiten der Stier, der Opfer
      symbolisiert, beim vierten der Kopf für den Evangelisten Matthäus
      und beim vierten der Adler, der für den heiligen Geist stehen kann.
      – die vier versinnbildlichen die Gegenwart Gottes in der Welt.
      In seinen
      Arbeiten nimmt Michael Goller die Farben und die jeweilige Symbolik
      des Reiters auf,
      die Kraft der
      Reiter, ihre Energie, den Sturm, den sie mitbringen, ist für mich zu
      spüren. Die intensiven Farben zeigen für mich die Radikalität
      dessen, was passiert.
      Die 4 Reiter auf
      diesen Bildern haben für mich etwas leidenschaftliches.
      Und in dem Wort
      „Leidenschaft“ steckt ja auch das Wort Leiden. Wer liebt, macht
      sich verletzbar, verwundbar und angreifbar. Wer liebt, strebt hin zum
      oder zur Geliebten, - aber wenn er bei ihm oder ihr ist, muss er vom
      Pferd steigen, die Rüstung ablegen und das Schwert.
      Wer liebt, der
      öffnet sich, wer liebt der leidet auch immer. Ich leide nicht an
      jemandem, der mir eigentlich egal ist. Der Satz „ich kann dich
      leiden“ ist in der unserer Sprache eine der zärtlichsten
      Liebeserklärungen – ich liebe dich so sehr, dass ich auch das
      Leiden an dir aushalten kann und will.
      Die Worte der
      Offenbarung verschwinden auf den Bildern hinter den Farbschichten und
      tauchen bruchstückhaft wieder auf. Ich schätze an Michael Gollers
      Arbeiten die ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Texten und
      Themen. Immer wieder übermalt er, ringt er mit den Fragen, er will
      nicht gefallen und ist manchmal sperrig. Seine Arbeiten fordern auch
      mich dazu heraus, nicht aufzuhören zu fragen, mich nicht mit
      einfachen Antworten zufrieden zu geben, sondern auf der Suche zu
      bleiben. Meiner Wahrnehmung nach ringt der Künstler in seinen
      Arbeiten um ein Dazwischen, und das spricht mich sehr an. Er hat mir
      gesagt, dass beim Malen – und auch beim Betrachten des Bildes –
      ein Zwischenraum entstehen kann, eine neue Dimension, die nur auf
      diese Weise sein kann: im Dazwischen, im Dialog.
      Komm heißt es
      im Text – KOMM findet sich auch auf den Bildern in Großbuchstaben.
      Diese Buchstaben haben für mich etwas Aufforderndes,
      Herausforderndes. Und damit passen sie für mich in Jesu Botschaft,
      der uns immer wieder herausruft, aus dem Gewohnten, der uns zuruft:
      Komm! Lass deine Sicherheiten hinter dir, lasse dich ein auf mich,
      und meine verändernde Kraft. Widersetze dich den Gesetzen dieser
      Welt, wo der Stärkste sich durchsetzt, wo Gewalt und Macht herrscht.
      Bleib auf der Suche nach dem, was dein Leben wirklich trägt, stell
      dich ehrlich den Fragen.
      Lass dich ein
      auf meine Botschaft: Ich mache alles neu. Rechne mit meiner Gegenwart
      und lass dich anstecken von meiner bedingungslosen Liebe. Komm!