St. Johannis: "Das Gleichnis vom Gastmahl", 2010, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm
St. Matthäus: "Das Gastmahl des Ijob", 2009, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm
St. Jakobi: "Gastmahl, eucharistisch", 2010, Öl auf Leinwand, 110 x 230 cm
„Es war ein Mann im Lande Uz,
der hieß Hiob.
Der war fromm und rechtschaffen,
gottesfürchtig und mied das Böse.
Und er zeugte sieben Söhne und drei
Töchter,
und er besaß siebentausend Schafe,
dreitausend Kamele,
fünfhundert Joch Rinder und
fünfhundert Eselinnen und noch sehr viel Gesinde,
und er war reicher als alle, die im
Osten wohnten.
Und seine Söhne gingen hin und machten
ein Festmahl,
ein jeder in seinem Hause an seinem
Tag,
und sie sandten hin und luden ihre drei
Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.
Und wenn die Tage des Mahles um waren,
sandte Hiob hin und heiligte sie…“ (Hiob 1, 1-5a)
So beginnt das Buch Hiob,
ein Buch aus dem Alten Testament.
Es hat dem Bild seinen Namen und sein
Thema gegeben.
„Das Gastmahl des Ijob“ heißt es,
wobei Ijob die lateinische Bezeichnung für Hiob ist.
Michael Goller, Künstler in
Chemnitz-Altendorf, hat es gemalt.
Zu einem Bild kann man auf
unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über die Kunstgeschichte
oder die Psychologie –
Meine Betrachtung ist ein Versuch,
von der Theologie her sich dem Bild zu nähern.
Ich möchte den religiösen
Hintergrund des Kunstwerks aufzeigen und Kunst und Glauben
miteinander ins Gespräch bringen.
Das Bild betrachtend
sehe ich viel weiß.
Darauf kleine dunkelgraue Vierecke.
Hinter dem Weiß, dass mich an eine
Wolke oder Rauch erinnert,
erkenne ich in der oberen Bildhälfte
graue Figuren,
hockend
wie in einem Halbkreis
Neben weiß und grau entdecke ich
kleine bunte Fragmente
in blau,
grün
schwarz und rot.
Unten links verfärbt sich das weiß
rosa.
Schwarze oder weiße Striche an
unterschiedlichen Stellen auf dem Bild
Erinnern an Schriftzeichen.
Mich macht das Bild neugierig,
es weckt viele Fragen in mir,
gleichzeitig hat es für mich etwas
Heiteres und Beruhigendes durch die hellen Farben.
Michael Goller hat das Bild 2009
gemalt.
Mit Ölfarben auf Leinwand.
Deutlich erkennbar ist es in
unterschiedlichen Schichten gemalt.
Manches untere schimmert noch durch
oder hat durch die Vierecke Fenster
bekommen,
durch sie ist zu sehen, was auf den
tieferen Schichten ist.
Das Bild wuchs über ein halbes Jahr -
„ein Bild malen, ist wie auf eine
Reise gehen“ sagt der Künstler.
Man weiß am Anfang nicht, was am Ende
der Reise sein wird.
Manches kann man planen, aber wie sich
die Reise anfühlt, was man erleben wird, bleibt unberechenbar, und
am Ende ist man ein anderer als zu Beginn.
Michael Goller hat immer wieder etwas
übermalt auf seiner Reise mit dem Thema Hiob.
Das Bild wuchs allmählich.
Am Anfang hat er die ersten sechs Verse
der Geschichte von Hiob auf die Leinwand geschrieben.
Sie bildet somit die Grundlage des
Bildes.
Er schrieb sie auf Latein,
in der Sprache der Vulgata,
einer frühen Übersetzung des
Hiobbuches.
Und er schrieb sie in seiner eigenen
Schrift
für den Betrachter nicht einfach
lesbar.
Dann wischte er einen Teil des Textes
wieder weg,
ein Teil blieb stehen.
Stücke aus dem Text tauchen immer
wieder im Bild auf –
In heller Schrift auf grau in den
fensterartigen Vierecken.
Der Text wirkt so graphisch auf mich
als Betrachterin.
Und die Schriftzeichen erinnern, die
Michael Goller auch von rechts nach links schreibt,
an hebräische Buchstaben,
an die Sprache, in der die
Hiobgeschichte ja auch ursprünglich erzählt und aufgeschrieben
wurde.
Hiobs Geschichte hat den Künstler
berührt,
er fand sich und seine damalige
Lebenssituation in ihr wieder. –
Die Gestalt des Hiob hat er ins Zentrum
des Bildes gemalt,
jetzt ist sie nicht mehr sehen,
aber Hiob ist untendrunter, wirkt von
unten.
Andere Teilnehmer an Hiobs Gastmahl
sind noch zu erkennen,
hockenden Figuren hier oben im
Halbkreis,
Menschen ohne Gesichter,
jeder von uns könnte einer von ihnen
sein.
Hiobs Schicksal ist wohl den meisten
von uns bekannt.
Ihm ging es gut,
er war reicher als alle, die im Osten
wohnten,
aber plötzlich wurde ihm alles
weggenommen.
Durch verschiedene Unglücksfälle
verlor er seinen Besitz,
und bei einem großen Sturm wurde das
Haus zerstört, in welchem Hiobs Kinder ein Gastmahl miteinander
feierten.
Alle starben.
Ihm wurde alles kaputt gemacht.
Kein Geld.
Keine Freunde.
Keine Familie.
Er blieb allein zurück.
Und fragte sich, warum ihm das
passierte.
Hiobs Geschichte entstand zu einer
Zeit, als den Menschen der Glaube an Gott immer größere Rätsel
aufgab.
Bisher waren sie davon ausgegangen,
dass gute Taten von Gott belohnt würden, schlechte aber zu einer
Bestrafung führen. (Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst
hinein – dies ist ein Spruch aus der Bibel, der das ausdrückt.)
Wenn jemand Schweres erlebte, krank
wurde oder Verluste erlitt, wurde dies damit erklärt, dass die
Leidenden bestraft würden, für Schlechtes, das sie getan hätten.
Im Buch Hiob wird dies angezweifelt.
Hier findet sich die Erfahrung, dass es
nicht so einfach aufgeht.
Auch wer an Gott glaubt, erlebt Leid
und Schmerz – und es gibt Menschen, die leben total ungerecht, und
denen geht es gut.
Es gibt Leid, das ungerecht ist, das
wir nicht verstehen.
Leid, das nicht als eine Strafe Gottes
verstanden werden kann.
Die Hiobgeschichte erzählt das ganz
deutlich,
Hiob ist nicht Schuld an dem, was er
erlebt.
Eine Wette im Himmel führte ihn in
diese schwere Situation.
Und im Verlauf des Buches fragt Hiob
deshalb Gott an und klagt ihn an: Wieso geschieht mir das? Wieso hast
du mir das angetan?
„So wahr Gott lebt, der mir mein
Recht entzog,
und der Allmächtige, der mich
verbittert,
fürwahr, meine Lippen reden nichts
Schlechtes,
und meine Zunge spricht keinen Trug…
An meiner Unbescholtenheit halte ich
fest und gebe sie nicht auf, … (Hiob 27, 2.4-6)
Hiob klagt die uralte Menschheitsklage
über das Leben,
Menschen müssen hart arbeiten,
zu kurz ist das Leben,
unerklärlich sind Krankheiten,
Verluste und Schmerz.
Und Gott ist verborgen, nicht zu
finden,
es ist nicht zu verstehen, wie er das
zulassen kann.
Hiob stellt stellvertretend für uns
die Menschheitsklage.
Das Recht, seinen Schmerz zu äußern,
lässt er sich nicht nehmen.
Und er weicht der verzweifelten
Wahrheit nicht aus – fragt, wo ist Gott in all dem?
Das bewegendste an der Hiobgeschichte
für mich ist,
dass er Gott dabei begegnet.
Gott nimmt die Herausforderung Hiobs an
und antwortet ihm.
Allerdings verzichtet er darauf, sich
zu erklären oder zu rechtfertigen,
er bleibt ein Geheimnis,
und es bleibt auch verborgen, warum
Hiob leidet.
Gott verweist einfach auf seine
Schöpfung, auf das Alltägliche, das sich immer wieder ereignet.
Und Hiob genügt die Erfahrung: Gott
wendet sich mir zu.
Er würdigt mich als Gegenüber,
meine Klagen treffen auf offene Ohren.
Hiob ist für mich ein Beispiel dafür,
dass es wichtig ist, ehrlich im Glauben zu sein,
die Fragen nicht einfach zu schlucken,
sondern zu stellen,
Gott auch anzufragen, wenn wir etwas
nicht verstehen –
Hiob ist im Gespräch geblieben mit
Gott,
seine ganze Traurigkeit hat er ihm vor
die Füße geworfen.
Er ist ein Mensch, der von Gott eine
Antwort erhält.
Weil er hartnäckig ist,
weil er beharrt an dem, was ihm wichtig
ist.
Er glaubt nicht an Gott, um als
Belohnung ein gutes Leben zu erhalten.
Sondern sagt „Ich bin nackt von
meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren.
Gott hats gegeben, Gott hats genommen, der Name Gottes sei gelobt.“
Für Hiob ist es möglich, von Gott
nicht nur das Gute anzunehmen, sondern auch das Böse in seinem
Leben.
Dass Hiob so an seinen Überzeugung
festhält, hat Michael Goller beim Malen dieses Bildes fasziniert,
er hat sich in Hiobs Situation wieder
gefunden.
Und auch ich als Betrachterin finde
mich auf diesem Bild wieder.
Ich kenne die Erfahrung, die es für
mich ausdrückt:
Ein Gastmahl,
ein gemeinsames Festessen findet statt,
für mich ist das ein Höhepunkt des
Lebens –
mit Menschen, die ich gerne habe, sitze
ich gemeinsam am Tisch,
wir genießen etwas miteinander,
und tauschen uns aus.
Und plötzlich wird alles anders
mitten im Leben,
alles hat doch funktioniert?
Von heute auf morgen bricht alles
auseinander,
ich bin im Sturm,
alles wird durcheinander gewirbelt,
ich kann nicht sehen, wie es
weitergeht,
alles, was war, ist nicht mehr.
Der Sturm macht alles kaputt,
aber er hat auch etwas heilsames,
das finde ich in den hellen Farben
und bunten kleinen Fragmenten auf dem
Bild angedeutet.
Alles ist nun wieder möglich,
neu,
offen,
ich bin nicht festgeschnürt in feste
Strukturen,
die Zukunft liegt wieder weit vor mir,
neue Wege, neue Chancen tun sich auf.
Das Weiß im Bild lädt mich dazu ein,
es mit meinen Farben zu füllen.
Und es gibt die Vierecke, die bleiben –
an sie kommt der Sturm nicht heran
Da ist etwas untendrunter, was mich
trägt –
In geometrischen, festen, verlässlichen
Formen.
Für mich ist es die Überzeugung,
dass wir gehört werden,
wie Hiob,
jemand wartet auf unseren Widerspruch,
Er regiert die Welt nicht nach
unabänderlichen Gesetzen,
sondern ist lebendig.
Weiß, wie wir uns fühlen.
ist bei uns, auch in den Stürmen des
Lebens.
Er stellt sich auf unsere Seite,
hält den Schmerz mit aus.
Er gibt keine theoretische Erklärung
für das, was uns passiert,
aber er teilt unser Leiden,
denn er weiß, was das heißt.
Er begegnet uns, wenn wir nach ihm
verlangen.
Wie auf Hiob
wartet auf uns ein Segen.
Darauf lasst uns hoffen.
„Und Hiob lebte danach 140 Jahre und
sah Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Glied.
Und Hiob starb alt und lebenssatt.“
Meditation
zu „Gastmahl eucharistisch“ von Michael Goller, im Kunstgottesdienst in
der St. Jakobikirche, Chemnitz 7.7.2013
Ein besonderes Gastmahl hielt Jesus mit seinen Jüngern kurz vor seinem
Tod.
Sie feierten miteinander das Passafest.
Jesus setzte sich zu Tisch mit ihnen, und sie aßen gemeinsam das
Passahlamm, die Bitterkräuter und die anderen dafür vorgeschriebenen
Speisen.
Wie zum Passahfest üblich erinnerten sie sich daran, wie Gott ihre
Vorfahren aus Ägypten befreite, aus der Knechtschaft und Unterdrückung.
Was dabei – zusätzlich zum Passahfest – passierte, erzählt das
Lukasevangelium folgendermaßen. Ich lese uns aus dem 22. Kapitel: Und
er nahm das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Das
ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist
der neue Bund1 in meinem Blut, das für euch vergossen wird!
Danach beendeten sie das Essen und gingen sie hinaus an den Ölberg, in den
Garten Gethsemane, wo Jesus festgenommen wurde.
Aufgrund dessen feiern Christen bis heute miteinander Abendmahl, oder
anders ausgedrückt, die Eucharistie, was „Dank sagen“ bedeutet.
Dieses Ereignis hat dem Bild, was wir hier vor uns sehen, seinen Namen und
sein Thema gegeben:
„Gastmahl eucharistisch“ heißt es.
Michael Goller, Künstler in Chemnitz-Altendorf, hat es gemalt.
Zu einem Bild kann man auf unterschiedliche Weise Zugang finden, z.B. über
die Kunstgeschichte oder die Psychologie –
Meine Bildpredigt jetzt ist ein Versuch, von der Theologie her sich diesem
Bild zu nähern.
Ich möchte den religiösen Hintergrund des Kunstwerks aufzeigen und Kunst
und Glauben miteinander ins Gespräch bringen.
Wenn ich das Bild betrachte,
sehe ich zuerst viel rosa und weiß.
Darauf fünf dunkelgraue Striche, die sich teilweise kreuzen.
Auf den Strichen weiße Zeichnungen.
Das Weiß und rosa in der oberen Bildhälfte erinnert mich an Wolken durch
die blauen Bereiche dahinter.
Dazwischen erkenne ich graurosa Figuren, die in einer Reihe sitzen oder
stehen.
In der unteren Bildhälfte sehe ich viele geschwungene Linien, kräftig
gemalt in weiß, violett, rot und grün.
Manche sehen aus wie Trinkgefäße.
Oben rechts befinden sich schwarze Schriftzeichen, Buchstaben, die ich
nicht kenne.
In der Mitte oben drei kleine Vierecke, wie Fenster mit Zeichnungen
dahinter.
Mich macht das Bild neugierig,
es weckt viele Fragen in mir,
gleichzeitig hat es für mich etwas Heiteres und beschwingtes durch die
hellen Farben und die Bögen.
Michael Goller hat „Gastmahl, eucharistisch“ 2010 gemalt.
Mit Ölfarben auf Leinwand.
Das Bild ist in unterschiedlichen Schichten gemalt.
Manches untere schimmert noch durch
z.B. durch die drei Viereck - Fenster,
durch die zu sehen ist, was auf den tieferen Schichten ist.
Michael Goller begann das Bild, indem er den Text aus dem
Lukasevangelium, den wir eben gehört haben, auf die Leinwand schrieb.
Er ist so die Grundlage des Bildes, wurde dann aber übermalt bei seiner
Auseinandersetzung mit dem Thema „Gastmahl eucharistisch“.
Die Vorstellung vom Mahl hat den Künstler intensiv beschäftigt, er hat
2009 und 2010 mehrere Bilder zum Thema „Gastmahl“ gemalt, z.B.
„Gastmahl des Heiligen Thomas“, „Das Gleichnis vom Gastmahl“ oder das
„Gastmahl des Ijob“, das in der St. Matthäuskirche ausgestellt war.
Was geschieht bei einem Gastmahl?
Es ist ein Ort des Austauschs, des Dialogs, des gemeinsamen Fragens und
Suchens.
Bei dem etwas Neues entstehen kann, das vorher nicht gewesen ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei einem gemeinsamen Essen sich
etwas lösen kann.
Meine festgefahrenen Sinne tauen auf, ich komme denen nahe, mit denen
ich gemeinsam esse, die Fremdheit schwindet, Austausch wird möglich,
Jesus hat Gastmähler geliebt.
Gemeinsames Essen, Tischrunden waren Jesus sehr wichtig.
Immer wieder wird von ihm erzählt, dass er mit Menschen gemeinsam
gegessen hat, sich einladen ließ, Gastfreundschaft schätzte und
gewährte.
Er hat „das Gastmahl“ auch immer wieder als Bild verwendet, um seine
Botschaft zu verdeutlichen.
Wahres Leben, so wie Gott es sich für die Menschen gedacht hat, stellt
Jesus uns als Tischgemeinschaft vor, als gemeinsames Festmahl.
Dabei ist Gott der Gastgeber und alle sind willkommen, egal, wer sie sind
oder was sie mitbringen.
Da gibt es keine Unterschiede zwischen arm und reich, krank und gesund,
erfolgreich oder gescheitert, Frau oder Mann, alle sitzen mit ihm am
Tisch.
Auf Augenhöhe, und alle macht er satt.
Bei dem letzten Gastmahl vor seiner Hinrichtung hat Jesus betont: „Esst
gemeinsam, damit ihr nicht vergesst:
Nehmt und esst dieses Brot, das ist mein Körper! Tut dies, sooft ihr
davon esst, zu meinem Gedächtnis. Nehmt und trinkt, das ist mein
Blut.“
So hat er sichtbare Zeichen seiner Gegenwart hinterlassen.
Vielleicht um zu verhindern, dass seine Botschaft und sein Wirken
vergeistigt werden.
Er hat ja auch das Anfassbare, das Körperliche nie verachtet. Und am
Ende seines irdischen Daseins, als er bald nicht mehr zu sehen sein
würde, band er sich bestimmt nicht zufällig an die grundlegenden Dinge
Wein und Brot und versprach: Ich bin da, wo ihr sie teilt, wenn ihr
Eucharistie/Abendmahl miteinander feiert, bin ich anwesend.
Gottesdienst und eine richtige Mahlzeit gehörten in den ersten
Jahrhunderten der Christen von daher unbedingt zusammen.
Eingeladen war jeder, der kam.
Aber die Teilnahme an der Brot- und Kelchhandlung setzte voraus, die
Botschaft von Jesus ernst zu nehmen und im eigenen Leben umsetzen zu
wollen.
Wer an diesem Gastmahl teilnahm, sollte sich wirklich öffnen für die
verändernde Kraft und nicht genauso gehen wie er gekommen ist.
Das Abendmahl und was dabei geschieht, war und ist bis heute ein
Mysterium, ein Geheimnis. Durch das gemeinsame „Brotbrechen“, das
eucharistische Gastmahl stiftet Jesus auch in der Gegenwart
Gemeinschaft über alle Unterschiede hinweg.
Martin Luther wollte über dieses Geheimnis nicht spekulieren.
Er hielt einfach fest, dass Jesus „in, mit und unter“ Brot und Wein
gegenwärtig ist – bis heute.
„Gastmahl eucharistisch“ –
Diesen Titel des Bildes hat der Künstler in seiner eigenen Schrift von
rechts nach links oben auf das Bild geschrieben.
Ich verstehe das Bild als eine Auseinandersetzung mit diesem Geheimnis,
es ist ein Versuch, sich dem anzunähern, was bei diesem besonderen
Gastmahl geschieht,
Michael Goller hat mir gesagt: Beim Malen -und auch beim Betrachten des
Bildes- kann zwischen den einzelnen Bildebenen – im Durchbruchspunkt,
im Zwischenraum – eine neue Dimension entstehen, eine Zwischenexistenz,
die nur auf diese Weise sein kann: im Dazwischen, im Dialog.
Dies versucht er in seiner Malarbeit seit vielen Jahren zu fixieren. Er
möchte ihr Raum innerhalb des Modellversuchs Malerei zu geben.
Der Zwischenraum – dem möchte er sich annähern, darum geht es ihm. Wo
die Gegensätze zwischen Gott und Welt wieder eins werden, und dadurch
das Leben im Einzelnen und im Allgemeinen bejaht wird. Denn alle Dinge,
alle Gedanken sind miteinander verbunden. In allem, was wir sehen, was
wir darstellen, was wir schmecken, kann eine lebendige Kraft, erkannt
werden. Die Schöpfung gibt Auskunft über den Schöpfer, und ist von
diesem nicht mehr zu trennen, wenn wir in Liebe darauf sehen.
Gastmahl eucharistisch –
Ich schätze am Michael Gollers Arbeiten besonders die Suche, die ehrliche
Auseinandersetzung,
sie will nicht gefallen,
mich lädt dieses Suchen, Fragen, das Offene im Bild dazu ein,
meinerseits die Suche nicht aufzugeben und meine Fragen ehrlich zu
stellen.
Ich möchte nicht aufhören, den Dialog zu suchen, mit dem anderen, mit dem
in mir und mit der lebendigen Kraft.
Als Betrachterin finde ich mich in diesem Bild wieder.
Ich kenne die Erfahrung, die es für mich ausdrückt:
Ein Gastmahl,
ein gemeinsames Festessen findet statt,
mit Menschen, die ich gerne habe, sitze ich gemeinsam am Tisch,
wir genießen etwas miteinander,
und tauschen uns aus.
Dabei entsteht Verbindung,
wir kommen miteinander und mit uns selbst neu in Kontakt, fühlen uns
wieder,
es hat etwas heilsames,
das finde ich in den hellen Farben auf dem Bild angedeutet.
Und in den kraftvollen Bögen des Bildes ist für mich die lebendige
Kraft dargestellt, die beim Gastmahl erfahren werden kann, die
verbindet, die kräftigt, die sogar die Dimensionen von Himmel und Erde
überschreitet -
Die Menschen auf dem Bild sind ohne Gesichter dargestellt,
jeder von uns könnte einer von ihnen sein.
Wir alle sind eingeladen, Anteil zu nehmen, aneinander und an der
lebendigen Kraft
Die Fragmente und grauschwarzen Striche im Bild erinnern mich daran, wie
gebrochen unsere Welt ist und unser Leben.
Auch Christus und mit ihm Gott ist gebrochen, nach dem Gastmahl,
eucharistisch, erlitt er einen furchtbaren Leidensweg und wurde getötet.
Wir leben in dieser gebrochenen Welt mit all ihren Problemen und bringen
sie mit an den Tisch Gottes.
Mit uns bringen wir unsere Sehnsucht nach Heilung.
Der Tisch ist der Ort, wo Jesus mit uns und der Welt mitleidet.
Und zugleich es der Ort der Hoffnung auf das wirkliche Leben, indem wir
gemeinsam das Brot des Lebens essen.
An diesem Tisch können wir ablegen und gleichzeitig werden wir gestärkt.
Möge das passieren, dass auch bei uns sich etwas löst, wir es lösen lassen
durch die Begegnung mit dieser Kraft.
Was uns drückt und belastet, können wir hier lassen, den
Leistungsdruck, die Unzufriedenheit, die Lieblosigkeit, unsere Sorgen –
hier können sie wegschmelzen.
Die Vierecke auf dem Bild, die auf die unteren Schichten des Bildes
verweisen, verweisen auf eine Zeichnung zum Propheten Jona. Er wurde
vom Fisch verschluckt und nach drei Tagen wieder an Land gespuckt –
Gott hat ihn gehalten und gerettet.
Für mich heißt das:
Da ist etwas untendrunter, was mich trägt –
Ich glaube, dass wir gehört werden,
er ist lebendig.
Weiß, wie wir uns fühlen.
Er stellt sich auf unsere Seite,
hält den Schmerz mit aus.
Er gibt keine theoretische Erklärung für das, was uns passiert,
aber er teilt unser Leiden,
denn er weiß, was das heißt.
Er steht zu uns, wie zu Jona und hilft uns durch.
Auch heute kann ich die lebendige Kraft erfahren, wenn ich mich öffne,
wenn ich seiner Verheißung vertraue und Brot und Wein empfange.
Und Gott ist da, auch wenn ich nicht glauben kann.
Er ist „Der, der immer wartet“. Glaube besteht darin, ihn nicht länger
warten zu lassen. Ich komme wie ich bin und lasse mich von ihm
sättigen.
Sein Gastmahl, seine Nähe ist lebenbringend, er ist ja das Brot des
Lebens, er nährt unsere Hoffnung.
Das heißt für mich: Alles ist möglich,
neu,
offen,
ich bin nicht festgeschnürt in feste Strukturen,
die Zukunft liegt weit vor mir,
Wege, neue Chancen tun sich auf.
Er gibt mir dazu die Kraft,
denn er stärkt mich und begleitet mich, wohin es auch geht.