Gastmahl, zentaurisch

Hochschule Mittweida, 8.12.2011 bis 17.3.2012

(...) Meist hat Michael Goller ein bestimmtes Thema, jedoch noch kein bestimmtes Bild vor Augen, wenn er seine Arbeit im Atelier beginnt. An Tagen, die nur dem Malen vorbehalten bleiben, brechen sich diese Zeichen ungestüm Bahn und formieren sich auf der Leinwand.  Bei der Verbindung von Schrift und Bild, die Michael Goller in zahlreichen Werken anstrebt, spielen die Aspekte des Miteinanders, der Vernetzung und der Kommunikation eine wichtige Rolle. Kommunikation und Transparenz. Die Wirkung seiner Bilder erreicht er durch eine interessante Synthese aus Wort und Bild. Die Farbe wird von ihm scheinbar impulsiv auf die Leinwände aufgetragen. Doch weiß er vorher genau, was er tut, er wägt ab und probiert oft verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten aus. So entsteht innerhalb einer leuchtkräftigen, stimmigen Farbmaterie ein spannungsvoll lebendiges Oberflächenrelief, das Licht und Schatten offenbart.
Michael Gollers symbolträchtige pastosen Malereien sind von besonderer Hintergründigkeit. Trug er Farbe früher vehementer auf um die Inhalte, die ihm immer wichtig waren, maximal vermitteln zu können, weiß der Maler nun, dass Malerei Selbstzweck ist, ausschließlich darstellen soll, wie es z.Bsp. Otto Dix schon sagte und NICHTS verändern kann.  Wahrscheinlich kann Kunst tatsächlich wenig bis nichts bewirken. Und trotzdem ist die Malerei für Michael Goller auch noch Transportmittel für Inhalte, für philosophische Andeutungen, für Fragen. Doch sie steht vor allem für sich allein, sie ist, das hat Michael Goller für sich erkannt, eine eigenständige Seinsform. Um die der Malerei gemäß größte Wirkung erleben zu können muss man akzeptieren: Malerei ist eine Kunstform, die immer wieder neu entsteht und sich immer wieder aus sich selbst heraus erneuert. Doch Malerei ist noch mehr: sie verkörpert Konzentration von Energie und drückt Sinnreichtum aus. (...)
Mit seinen Bildern vergegenständlicht Michael Goller Philosophie: ‘Farbe und Pinsel sind genug, um ein Wunder zu schaffen.’ Oder, wie Jean Dubuffet sagte: ‘Die Kunst ist ein Spiel – das Spiel des Geistes, das edelste Spiel des Menschen.’
Vor allem bei großformatigen Arbeiten kommen Tradition und Mythologie in dieses Spiel. Gleich mehrfach taucht das Gastmahl als Gleichnis auf. In dieser biblischen Legende vergleicht Jesus das Reich Gottes mit einem Festmahl - während einige der Eingeladenen die Teilnahme absagen, erhalten andere, die möglicherweise nicht unbedingt damit gerechnet hatten an die Tafel geladen zu werden, die Chance, dabei zu sein. Die Kombination von verhaltener Figuration und dominanter Abstraktion lässt eine große Bandbreite an Deutungen zu. 
“Gastmahl, zentaurisch”, ist nicht nur der Titel dieser Ausstellung in Mittweida, sondern ist auch der Titel eines Bildes, welches hier zu sehen ist.
Es ist ein erst kürzlich fertiggestelltes Werk und setzt in der aktuellen Phase des Künstlers, zur Zeit entstehen fast ausschließlich helle, weiße Gemälde, den mehrjährigen Zyklus der Gastmahl-Bilder fort. Und das aus gutem Grund, denn: Gastmahl bedeutet: Hier gehen nicht nur Essen und Trinken zusammen, sondern auch Kommunikation. Das meint Gastmahl. Sichtbar und unsichtbar, Körper und Seele, Geist und Materie, diese Grundfragen stellt es und beantwortet sie gleichzeitig dualistisch: in Kommunikation getrennten Seins wird eine Einheit möglich. Die Malweise (Aufspaltung, Überlagerung, Zusammenschwingen) bekennt sich ebenso dazu. Und das Zentaurische? 
Diese Mischwesen der griechischen Mythologie stehen ebenso für den gleichen Gedanken: Mensch und Pferd in deutlich trennbaren Teilen repräsentieren das Animalisch-Leibliche und das Geistige in einer Erscheinung. (...)

Bernd Weise, 12/2011




Fotos (7): Mark Zenker