(...)
Meist
hat Michael Goller ein bestimmtes Thema, jedoch noch kein
bestimmtes Bild vor Augen, wenn er seine Arbeit im Atelier beginnt. An
Tagen, die nur dem Malen vorbehalten bleiben, brechen sich diese
Zeichen ungestüm Bahn und formieren sich auf der Leinwand. Bei
der Verbindung von Schrift und Bild, die Michael Goller in zahlreichen
Werken anstrebt, spielen die Aspekte des Miteinanders, der Vernetzung
und der Kommunikation eine wichtige Rolle. Kommunikation und
Transparenz. Die Wirkung seiner Bilder erreicht er durch eine
interessante Synthese aus Wort und Bild. Die Farbe wird von ihm
scheinbar impulsiv auf die Leinwände aufgetragen. Doch weiß er vorher
genau, was er tut, er wägt ab und probiert oft verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten aus. So entsteht innerhalb einer
leuchtkräftigen, stimmigen Farbmaterie ein spannungsvoll lebendiges
Oberflächenrelief, das Licht und Schatten offenbart.
Michael Gollers symbolträchtige pastosen Malereien sind von besonderer
Hintergründigkeit. Trug er Farbe früher vehementer auf um die Inhalte,
die ihm immer wichtig waren, maximal vermitteln zu können, weiß der
Maler nun, dass Malerei Selbstzweck ist, ausschließlich darstellen
soll, wie es z.Bsp. Otto Dix schon sagte und NICHTS verändern
kann. Wahrscheinlich kann Kunst tatsächlich wenig bis nichts
bewirken. Und trotzdem ist die Malerei für Michael Goller auch noch
Transportmittel für Inhalte, für philosophische Andeutungen, für
Fragen. Doch sie steht vor allem für sich allein, sie ist, das hat
Michael Goller für sich erkannt, eine eigenständige Seinsform. Um die
der Malerei gemäß größte Wirkung erleben zu können muss man
akzeptieren: Malerei ist eine Kunstform, die immer wieder neu entsteht
und sich immer wieder aus sich selbst heraus erneuert. Doch Malerei ist
noch mehr: sie verkörpert Konzentration von Energie und drückt
Sinnreichtum aus. (...)
Mit seinen Bildern vergegenständlicht Michael Goller Philosophie:
‘Farbe und Pinsel sind genug, um ein Wunder zu schaffen.’ Oder, wie
Jean Dubuffet sagte: ‘Die Kunst ist ein Spiel – das Spiel des Geistes,
das edelste Spiel des Menschen.’
Vor allem bei großformatigen Arbeiten kommen Tradition und Mythologie
in dieses Spiel. Gleich mehrfach taucht das Gastmahl als Gleichnis auf.
In dieser biblischen Legende vergleicht Jesus das Reich Gottes mit
einem Festmahl - während einige der Eingeladenen die Teilnahme absagen,
erhalten andere, die möglicherweise nicht unbedingt damit gerechnet
hatten an die Tafel geladen zu werden, die Chance, dabei zu sein. Die
Kombination von verhaltener Figuration und dominanter Abstraktion lässt
eine große Bandbreite an Deutungen zu.
“Gastmahl, zentaurisch”, ist nicht nur der Titel dieser Ausstellung in
Mittweida, sondern ist auch der Titel eines Bildes, welches hier zu
sehen ist.
Es ist ein erst kürzlich fertiggestelltes Werk und setzt in der
aktuellen Phase des Künstlers, zur Zeit entstehen fast ausschließlich
helle, weiße Gemälde, den mehrjährigen Zyklus der Gastmahl-Bilder fort.
Und das aus gutem Grund, denn: Gastmahl bedeutet: Hier gehen nicht nur
Essen und Trinken zusammen, sondern auch Kommunikation. Das meint
Gastmahl. Sichtbar und unsichtbar, Körper und Seele, Geist und Materie,
diese Grundfragen stellt es und beantwortet sie gleichzeitig
dualistisch: in Kommunikation getrennten Seins wird eine Einheit
möglich. Die Malweise (Aufspaltung, Überlagerung, Zusammenschwingen)
bekennt sich ebenso dazu. Und das Zentaurische?
Diese Mischwesen der griechischen Mythologie stehen ebenso für den
gleichen Gedanken: Mensch und Pferd in deutlich trennbaren Teilen
repräsentieren das Animalisch-Leibliche und das Geistige in einer
Erscheinung. (...)
Bernd
Weise, 12/2011
Fotos (7): Mark Zenker