Von Christian Dressler, Ruhrkunst
Man kann ihnen Zeit lassen, ihnen vertrauen und sicher sein:
Sie
werden was! Dies verrät ein Blick in die Skizzenbücher des Chemnitzer
Künstlers Michael Goller.
Eine Schatztruhe voller Ideen tut sich hier auf, Zeichnungen, Skizzen,
Farbanweisungen, ein Gedankenfeld, das spontan entstanden ist. Das
reift, wächst, und akribisch bestellt wird, indem der Künstler es
durchdenkt, ordnet und verwirft, mit Gelassenheit und Geduld, bis
irgendwann das fertige Bild entsteht. Viel Zeit braucht es dafür,
obwohl
die Arbeiten spontan wirken in der heftigen Geste des Farbauftrags und
den expressiven Bild- und
Schriftzeichen, die sich wie ein schwer lesbares Alphabet über die
Fläche ziehen.
"Im Juli gemaltes Bild" heißt die Ausstellung, ein Titel, der die
Entstehung der Bilder augenzwinkernd
kommentiert, denn der Künstler gibt ihnen genau "die Zeit, die sei zum
Entstehen brauchen." Im
sächsischen Mittweida hat Goller Medienwissenschaften studiert,
gezeichnet und Bilder am Computer
geklont, "bis die Malerei siegte". Weil sie die "Vielfalt visueller
Frequenzen" in all ihren feinen
Überlagerungen am besten wiedergibt. Und weil in diesem Medium die Zeit
gerinnt.
Was beinhalten diese farbgesättigten Bilder in ihrer spontan anmutenden
Geste genau? Eine Landschaft,
zwei
Schachspieler, Stadtansichten
oder das Panorama
von
Prag sind in ihnen verborgen als unterste
Schicht, als figuratives Liniengefüge. Darüber Farbe, eine abstrahierte
Schrifttypologie, ebenso assoziativ
wie bewusst gesetzt. "Autistisches Experiment" oder Textzeilen von
Kafka kann man gerade erkennen,
Häuser, einen Damenfuß, dann Leerstellen: nicht etwa leer gelassen,
sondern leer gemalt und manchmal
posthum mit Bedeutung versehen. Eine malerische Auseinandersetzung
kristallisiert sich heraus, langsam,
tastend, wie die Sprache beim allmählichen Verfertigen der Gedanken.
Von Gordon K. Strahl, WAZ
Während andere Künstler versuchen,
mit ihren Werken
Antworten auf brennende gesellschaftliche
Fragen zu finden,
macht sich Michael Goller
erst einmal auf die Suche
nach der Frage. „Das Faszinierende
an seinen Bilden sind
die Leerstellen, die der Betrachter
frei füllen darf”, betont
der Galerist Thomas Obrist.
In seiner Galerie stellt er
Werke des Chemnitzer Künstlers
aus.
„Im Juli gemaltes Bild” heißt
die Ausstellung – ein Name,
der vielleicht auch schon aus
der Tatsache heraus etwas seltsam
klingt, dass sich nicht nur
eins, sondern 26 Bilder des
Künstlers in der Galerie finden.
„Mich hat der Titel auch
überrascht”, gibt Michael Goller
zu. Der Text leite sich von
einem seiner Werke mit dem
Titel „Im Juli im
Atelier gemalten
Bild” ab. Er macht deutlich:
Nicht eine inhaltliche
Aussage steht im Vordergrund,
sondern der Schaffensprozess.
Dieser Prozess verlange
Zeit. „Das ist auch eine Frage
der Geduld”, sagt er. So gehöre
es für ihn zum Malen auch dazu,
eine Weile nicht zu malen,
sondern das Bild pausieren zu
lassen. „Ich gebe den Bildern,
die Zeit, die sie zum Entstehen
brauchen.”
Der 35-Jährige vermischt in
seinen Arbeiten expressive mit
figuraler Malerei. Dabei versucht
er sich in dem Spagat,
beiden Elementen ihre Unabhängigkeit
zu lassen, aber sie
gleichzeitig in Harmonie zu
bringen. „Ich suche nach visuellen
Resonanztönen”, so Goller,
der im sächsischen Mittweida
Medienwissenschaften
studiert hat.
Dies schafft er, indem er die
abstrakten, farbigen Bildflächen
durch Fragmente in geographischen
durchbricht, die
einen Einblick auf figurale,
zeichnerische Elemente zulassen.
Vor zehn Jahren löste er
sich mit dieser Methode von
den Zwängen der expressiven
Malerei.