Um
Malerei von zuviel hineininterpretierten Inhalten zu befreien, hat der
Künstler Michael Goller mit weiteren Freunden die unabhängige
Initiative "Malfront" gegründet. So ist es auf seiner Webseite zu
lesen. Die Beteiligten sind der Meinung, dass Malerei allzu oft als
Transportmedium für verschiedene Inhalte aller Art missverstanden wird
und, dass es dadurch zu einer, wie sie sagen „Zuschüttung“ der
Sensibilität für Malerei gekommen sei. Nun steht man immer wieder vor
der manchmal nicht leichten Aufgabe Kunst zu interpretieren, zu
erklären und den Betrachtern näher zu bringen. Also bleibt auch mir
nichts weiter übrig als Dinge hineinzuinterpretieren, die
möglicherweise gar nicht vorhanden sind oder die sie, meine sehr
geehrten Damen und Herren, möglicherweise nicht so oder doch ganz
anders sehen als ich oder als sie der Künstler selbst sehen möchte.
Lassen wir uns also davon überraschen, welche Wirkung die Werke auf uns
haben werden.
In den Bildern des Malers Michael Goller herrscht immer grelle Hitze.
Meist sind es große Formate, meist geht es um den maximalen Einsatz von
Farbe, meist sind es Farbschichten, die gegeneinander um die
Vorherrschaft auf dem Bild zu kämpfen scheinen anstatt sich miteinander
zu einem harmonischen Ganzen zu fügen. Und dazwischen Figuren,
Menschen, Zitate aus dem Fundus vergangener Kulturen. Regt den Maler
etwas auf? Muß er sich gar beim Malen abregen? Seine Kunst ist auf
jeden Fall anregend!
Die Newcomer der deutschen Kunst überschwemmen den Markt derzeit mit
vorsichtig dosierter Heftigkeit, mit einer farbkräftigen Malerei der
sanften Art, die oft an smarte Darsteller aus Versandhauskatalogen
erinnert – ganz anders bei dem auch noch jungen und von Sammlern und
Kunstinteressierten noch zu entdeckenden Michael Goller. Hier rollen
Köpfe da fehlen Gliedmaßen dort werden einfach Bildbestandteile
ausgespart und durch für den Gesamteindruck des Bildes fremdartige
Flächen ersetzt, die sich auch auf den zweiten Blick noch einer
rationalen Erklärung entziehen, doch, so scheint es, wird das ein
Markenzeichen seiner Malerei bleiben. Allerdings erzielt er mit seinen
Bildern noch keine sechsstelligen Verkaufserlöse wie manche seiner
gleichaltrigen Kollegen aus Leipzig oder Berlin. Das jedoch, wäre ihm
zu wünschen. Heute wird lieber über Werte und Trends geredet als über
sogenannte Inhalte, und schon gar nicht über philosophische oder gar
über politische.
Diese jedoch sind wichtig für den Künstler, den Sie hier kennen lernen.
Michael Goller wurde 1974 in Karl-Marx-Stadt geboren. Nach dem Abitur
studierte er an der Hochschule in Mittweida Medientechnik und schloss
dieses Studium mit einem Diplom ab. Nach einem einjährigen Lehrauftrag
für Mediendesign an der Hochschule Mittweida entschließt er sich mit
aller Konsequenz für eine selbständige, freischaffende Tätigkeit als
Künstler.
Michael Goller malt figürlich. Früher, vor einigen Jahren noch,
gestaltete er hin und wieder Bilder mit bewusst beziehungslosen
Elementen aus unterschiedlichsten Materialien. Je genauer man nun
hinschaut, desto weniger stellt sich das bei seinen neuen Bildern als
Bruch dar. Es gibt Zonen von Wiedererkennbarem wie auch Stellen, deren
Realität nur der Maler selbst zu kennen scheint. Es sind Bildstellen,
die aus malerischen Farbflächen und Bedeutungspartikeln
zusammenstückelt zu sein scheinen. In seinem Atelier sah ich kürzlich
einige neue Bilder, die deutlich machen, wo seine Gestalten, das
Personal seiner Bilder, herkommen. Diese Arbeiten, großformatige
Malereien auf Leinwand sehen so aus, wie man sich möglicherweise fühlen
könnte, wenn man mit dem ganzen Körper in einen Strudel gerät. Es gibt
mehrere übereinanderliegende Schichten, das heißt also bei Goller es
gibt mehrere Bedeutungsebenen, also auch mehrere Arten die Bilder zu
verstehen. Aus dem Nichts, oder vielmehr dem Ungewordenen, konstruieren
sich die Begriffe seiner Bildwelten. In der Komposition der Bilder
stößt der Betrachter auch immer wieder auf verschiedene
Zahlenverhältnisse. Und dann scheint es eine Ebene zu geben in der die
Entschlüsselung des Gemäldes zu finden ist. Diese Bilder hängen in
dieser Ausstellung. Es sind vier Gemälde mit dreifigurigen
Kompositionen. Michael Goller nennt sie deshalb, auch deshalb die VIER
DREIHEITEN. Wahrscheinlich mag er das Spiel mit mystischen Zahlen.
Michael Goller meint, dass Geist, Körper und Seele im Leben zu einer
Einheit gelangen müssen. Deshalb sind es diese Zusammenhänge
verschiedener Zahlen die er benutzt, um auf malerischem Wege ihre
Beziehungen untereinander deutlich zu machen oder um sie ganz einfach
für sich selbst zu entschlüsseln – um selbst hinter ihr Geheimnis, wenn
es denn eines gibt, zu kommen. Das zu erreichen ist sein Ziel. Die
christliche Lehre spricht von der Trinität spricht vom Gott Vater als
Schöpfer, dem Erlöser Jesus und dem Heiligen Geist. Die heiligen drei
Könige. Es gibt als andere Dreieinigkeiten die drei Raumkoordinaten.
Die magische Zahl DREI in der Literatur – und so weiter.
Auch die Zahl vier hat eine wesentliche Symbolbedeutung.
Denken wir an die drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung, die
durch die vier Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit und
Mäßigung, die zuvor schon vom griechischen Philosophen Platon
propagiert wurden, ergänzt werden. Es gibt vier logische Operationen,
die vier Rechnungsarten (plus, minus, durch und mal). Wir kennen die
vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft.
Michael Goller will, dass sich das alles in diesen Bildern spiegelt.
Aber es ist keine christliche Kunst und ich glaube auch nicht, dass der
Künstler religiösen Inhalte mit seinen Bildern vermitteln will. Hier
ist die Kunst ein Mittel dazu, den Sinn des Lebens und der Welt auf
philosophischem Wege zu ergründen.
Aufgrund
dieser Bedeutungszusammenhänge arbeitet Goller nicht spontan. Er
durchdenkt den Handlungsablauf des Malens akribisch, bevor es zur
Geburt seiner Schöpfungen kommt. Dazu plant Michael Goller seine Bilder
genauestens bevor er seine geistige Malerei erschafft. Zuerst, nach
intensiver gedanklicher Vorbereitung, entstehen Bleistiftskizzen.
Skizzen, die er mit einer sehr harten Mine zeichnet, welche kaum
Korrekturen zulässt. Der nächste Schritt sind Ölstudien, um die
Farbzusammenhänge zu untersuchen, die er verwenden will. Dann entstehen
noch größere Studien, an denen der Maler seine gewonnenen Erkenntnisse
überprüft und nochmals zusammenfasst.
Ein wichtiger Bestandteil
seiner Werke sind die Maskierungen, wie er die abgedeckten Stellen
nennt, hinter denen sich Bildelemente früherer Malschichten verbergen.
Erst durch das Demaskieren des Bildes nach dem Malen, erst durch das
Freilegen der abgedeckten Stellen, dieser fragmentarischen Einschlüsse,
ist sein Bild fertiggestellt. Nun muss es sich nur noch vollenden – in
unseren Köpfen.
Kunst, ob Film, Theater oder Malerei findet immer unter Einbeziehung
der Medien, immer durch die Diskussion darüber statt. Und doch bleibt
am Ende jeder Debatte jedes Bild ein Rätsel.
Hier darf ich Michael Goller zitieren, der einmal sagte: Mag kommen was
will, die Malerei bleibt, sie ist die einzige Gottheit, die voller
Leben und voller Güte ist und jede Niederlage zum Sieg werden lässt.
Bernd Weise, Galerist, Mai 2007