Landschaften

Galerie im Stadtmuseum Döbeln 22.11. – 5.1. 2003


Auch kleinere deutsche Städte sind in der Lage, kulturell zu glänzen, wenn Privatinitiative ins Spiel kommt. Dass hier in Döbeln gute Ausstellungen stattfinden wusste ich schon – um so mehr freue ich mich, hier nun eine Ausstellung eröffnen zu dürfen. Vielen Dank für die Einladung in Ihre Galerie. Vielen Dank auch dafür, dass Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren heute gekommen sind um die Bilder eines noch jungen Chemnitzer Künstlers zu sehen.

Michael Goller wurde1974 geboren und studierte, nach Berufsausbildung in Leipzig und verschiedenen Tätigkeiten bei Presse und Werbung, von 1995 bis 1999 Medientechnik an der Hochschule in Mittweida und schloss das Studium dort mit dem Diplom ab. Im Jahre 2000 hatte er selbst in Mittweida einen Lehrauftrag für Mediendesign. Heute gehört Michael Goller zu den wenigen Künstlern die sich den außergewöhnlichen Luxus leisten können, sich ausschließlich mit ihrer Berufung, dem Malen, zu beschäftigen.

Landschaftsmalerei war stets ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil der Malerei, denn Landschaften sind steten Veränderungen unterworfen. Nachdem kurz nach dem Kriege in den späten 40er- und den 50er Jahren die Landschaft zunächst kein Thema der Malerei war ist sie seit den 60er Jahren wieder ein wesentlicher Gegenstand vielfältiger künstlerischer Auseinandersetzungen. Landschaftsmalerei heute bedeutet mehr denn je Freiheit im Spiel mit den Formen. Wenn sich die verschiedensten Varianten der realistischen Darstellungsweisen im Medienzeitalter auch vervielfältigt haben, bleibt es doch nur dem Blick der Malerei überlassen, neue und vor allem sinnliche Bildwirklichkeiten zu entdecken.
Michael Goller geht es bei seiner Malerei nicht um das Zufällige, sondern um die konkrete Form als das eigentlich Charakteristische und Symbolische am Bild. Wie andere Maler auch nutzt Michael Goller dabei natürlich die Landschaft als Freiraum zur Erkundung bildnerischer Experimente und neuer Formversuche. Intensiv erlebt er Landschaft durch zahlreiche Spaziergängen und Wanderungen in den Wäldern des Erzgebirges, in der näheren und nächsten Umgebung. Gefiltert, auf Wesentliches reduziert und frei im Atelier variiert können wir seine Landschaftseindrücke hier sehen.
 Schon auf den ersten Blick sind diese Bilder nicht nur schöne Landschaften. Nach längerem Betrachten stellen sich Fragen ein. Was bedeutet das alles? Versucht der Künstler nicht auch gelegentlich, sein Unterbewusstes auf die Realität zu projizieren? Viele Dinge, die wir in diesen Bildern zu erkennen glauben sind wahrscheinlich Sinnzeichen: die Andeutung von Behausungen, der belaubte Baum, Felsen (oder Fragmente von Hochhäusern?). Auch die Schriftzeichen, mit denen Michael Goller auf oft seltsame Weise seine Bilder zusätzlich dekoriert. Diese typographischen Symbole dienen Michael Goller zum besseren Verständlichmachens seines bildhaften Denkens. Dass Michael Goller seine Bilder in letzter Zeit manchmal in Serien schafft erscheint folgerichtig, wenn wir Landschaft richtig verstehen: Landschaften zeichnen sich durch stete Umbildung aus, alles ist in diesen Prozess einbezogen. Und es ist die menschliche Wahrnehmung, die diesen Wandel dokumentiert. Der Künstler verleiht durch seine Gestaltung einem einzigen Augenblick Dauer. Nicht mehr, nicht weniger. So wird Kunst durch Natur möglich. Wir, die Betrachter, vollziehen diese Veränderungen in der Natur durch das Betrachten der Bilder nach und erleben so eine andere, neue, leider nicht immer schönere Welt.
Wie oft in der Kunst geht es auch dem Maler Michael Goller um die Übereinstimmung des Menschen mit der Natur, um den Ausdruck einer Sehnsucht nach unendlicher Harmonie. Landschaftsmalerei - das ist auch für ihn eine Bildwelt mit weiten Ausblicken ins Land wie uns die schmalen Landschaftsbilder zeigen, die in diesem Jahr entstanden sind. Bei diesen Bildern folgt der Maler mit der Perspektivwahl des extremen Querformates ganz bewusst menschlichen Sehgewohnheiten.
Es sind Bilder mit Bergen und dunklem Tann, das sind die Berge und Täler des Erzgebirges mit schweigenden Wäldern wie bei den von Michael Goller auch so genannten „Waldbildern“. Das sind auch Bilder mit Schiffen im Hafen, wie die „Boote“, deren Bildaufbau noch die Strukturen früherer, verworfener Bildfindungen verraten. Auch neuere Küstenlandschaften sind zu sehen: das ist Malerei (Wie ich sie besonders mag): In der Natur dient sie uns als Sinnbild menschlichen Daseins.

Wahrscheinlich macht das Gleichnishafte überhaupt erst den unnachahmlichen Reiz von Gemälden aus. Der Betrachter empfindet Bilder ja ohnehin nicht nur als schöne Malerei, er genießt nicht bloß Bildaufbau und Farbe, er sucht auch das Rätselhafte zu ergründen und zu begreifen. Und da wird deutlich, dass Maler oft, auch Michael Goller und vielleicht besonders er, Grübler sind, sich als Deuter verstehen, denen die Natur nur den Vorwand dazu liefert, ganz persönliche und existenzielle Gefühle, Gedanken, Ängste und Hoffnungen auszudrücken.

Michael Gollers Landschaftsbilder sind Orte der Erinnerung und mythische Landschaften zugleich, die wir zu kennen scheinen und die uns doch fremd bleiben. Ja, das ist der Grund dafür, dass wir, dass ich mich hingezogen fühle zu seinen Bilder, da ich nicht Fertigwerden kann mit ihnen, da ich immer etwas Neues, etwas noch nicht Erkanntes zu erkennen glaube. Denn ich kann auf seinen Bildern auch die Nacht sehen. Sie ist blau.

Doch: DU SOLLST DIR KEIN BILDNIS MACHEN. Denn: Schön ist es, wenn die Spur eines Geheimnisses bewahrt bleibt. Glauben wir also an die Bilder von Michael Goller, denn Heimat, heimatliche Landschaft auch, scheint das zu sein das man erst begreift wenn man es verloren hat."

Bernd Weise, November 2002