Auch kleinere deutsche Städte sind in der Lage,
kulturell zu glänzen, wenn Privatinitiative ins Spiel kommt.
Dass hier in Döbeln gute Ausstellungen stattfinden wusste ich
schon – um so mehr freue ich mich, hier nun eine Ausstellung
eröffnen zu dürfen. Vielen Dank für die
Einladung in Ihre Galerie. Vielen Dank auch dafür, dass Sie,
meine sehr geehrten Damen und Herren heute gekommen sind um die Bilder
eines noch jungen Chemnitzer Künstlers zu sehen.
Michael Goller wurde1974 geboren und studierte, nach Berufsausbildung
in Leipzig und verschiedenen Tätigkeiten bei Presse und
Werbung, von 1995 bis 1999 Medientechnik an der Hochschule in Mittweida
und schloss das Studium dort mit dem Diplom ab. Im Jahre 2000 hatte er
selbst in Mittweida einen Lehrauftrag für Mediendesign. Heute
gehört Michael Goller zu den wenigen Künstlern die
sich den außergewöhnlichen Luxus leisten
können, sich ausschließlich mit ihrer Berufung, dem
Malen, zu beschäftigen.
Landschaftsmalerei war stets ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil
der Malerei, denn Landschaften sind steten Veränderungen
unterworfen. Nachdem kurz nach dem Kriege in den späten 40er-
und den 50er Jahren die Landschaft zunächst kein Thema der
Malerei war ist sie seit den 60er Jahren wieder ein wesentlicher
Gegenstand vielfältiger künstlerischer
Auseinandersetzungen. Landschaftsmalerei heute bedeutet mehr denn je
Freiheit im Spiel mit den Formen. Wenn sich die verschiedensten
Varianten der realistischen Darstellungsweisen im Medienzeitalter auch
vervielfältigt haben, bleibt es doch nur dem Blick der Malerei
überlassen, neue und vor allem sinnliche Bildwirklichkeiten zu
entdecken.
Michael
Goller geht es bei seiner Malerei nicht um das Zufällige,
sondern um die konkrete Form als das eigentlich Charakteristische und
Symbolische am Bild. Wie andere Maler auch nutzt Michael Goller dabei
natürlich die Landschaft als Freiraum zur Erkundung
bildnerischer Experimente und neuer Formversuche. Intensiv erlebt er
Landschaft durch zahlreiche Spaziergängen und Wanderungen in
den Wäldern des Erzgebirges, in der näheren und
nächsten Umgebung. Gefiltert, auf Wesentliches reduziert und
frei im Atelier variiert können wir seine
Landschaftseindrücke hier sehen.
Schon auf den ersten Blick sind diese Bilder nicht nur schöne
Landschaften. Nach längerem Betrachten stellen sich Fragen
ein. Was bedeutet das alles? Versucht der Künstler nicht auch
gelegentlich, sein Unterbewusstes auf die Realität zu
projizieren? Viele Dinge, die wir in diesen Bildern zu erkennen glauben
sind wahrscheinlich Sinnzeichen: die Andeutung von Behausungen, der
belaubte Baum, Felsen (oder Fragmente von Hochhäusern?). Auch
die Schriftzeichen, mit denen Michael Goller auf oft seltsame Weise
seine Bilder zusätzlich dekoriert. Diese typographischen
Symbole dienen Michael Goller zum besseren Verständlichmachens
seines bildhaften Denkens. Dass Michael Goller seine Bilder in letzter
Zeit manchmal in Serien schafft erscheint folgerichtig, wenn wir
Landschaft richtig verstehen: Landschaften zeichnen sich durch stete
Umbildung aus, alles ist in diesen Prozess einbezogen. Und es ist die
menschliche Wahrnehmung, die diesen Wandel dokumentiert. Der
Künstler verleiht durch seine Gestaltung einem einzigen
Augenblick Dauer. Nicht mehr, nicht weniger. So wird Kunst durch Natur
möglich. Wir, die Betrachter, vollziehen diese
Veränderungen in der Natur durch das Betrachten der Bilder
nach und erleben so eine andere, neue, leider nicht immer
schönere Welt.
Wie
oft in der Kunst geht es auch dem Maler Michael Goller um die
Übereinstimmung des Menschen mit der Natur, um den Ausdruck
einer Sehnsucht nach unendlicher Harmonie. Landschaftsmalerei - das ist
auch für ihn eine Bildwelt mit weiten Ausblicken ins Land wie
uns die schmalen Landschaftsbilder zeigen, die in diesem Jahr
entstanden sind. Bei diesen Bildern folgt der Maler mit der
Perspektivwahl des extremen Querformates ganz bewusst menschlichen
Sehgewohnheiten.
Es sind Bilder mit Bergen und dunklem Tann, das sind die Berge und
Täler des Erzgebirges mit schweigenden Wäldern wie
bei den von Michael Goller auch so genannten „Waldbildern“.
Das
sind auch Bilder mit Schiffen im Hafen, wie die „Boote“,
deren
Bildaufbau noch die Strukturen früherer, verworfener
Bildfindungen verraten. Auch neuere Küstenlandschaften sind zu
sehen: das ist Malerei (Wie ich sie besonders mag): In der Natur dient
sie uns als Sinnbild menschlichen Daseins.
Wahrscheinlich
macht das Gleichnishafte überhaupt erst den unnachahmlichen
Reiz von Gemälden aus. Der Betrachter empfindet Bilder ja
ohnehin nicht nur als schöne Malerei, er genießt
nicht bloß Bildaufbau und Farbe, er sucht auch das
Rätselhafte zu ergründen und zu begreifen. Und da
wird deutlich, dass Maler oft, auch Michael Goller und vielleicht
besonders er, Grübler sind, sich als Deuter verstehen, denen
die Natur nur den Vorwand dazu liefert, ganz persönliche und
existenzielle Gefühle, Gedanken, Ängste und
Hoffnungen auszudrücken.
Michael Gollers Landschaftsbilder sind Orte der Erinnerung und
mythische Landschaften zugleich, die wir zu kennen scheinen und die uns
doch fremd bleiben. Ja, das ist der Grund dafür, dass wir,
dass ich mich hingezogen fühle zu seinen Bilder, da ich nicht
Fertigwerden kann mit ihnen, da ich immer etwas Neues, etwas noch nicht
Erkanntes zu erkennen glaube. Denn ich kann auf seinen Bildern auch die
Nacht sehen. Sie ist blau.
Doch: DU SOLLST DIR KEIN BILDNIS MACHEN. Denn: Schön ist es,
wenn die Spur eines Geheimnisses bewahrt bleibt. Glauben wir also an
die Bilder von Michael Goller, denn Heimat, heimatliche Landschaft
auch, scheint das zu sein das man erst begreift wenn man es verloren
hat."
Bernd Weise, November 2002